Mittwoch, 11. August 2010

Theorie Theater

»,Theorie‘ stammt von gr. Θεωρειν, ,schauen‘, ,betrachten‘, Θεωρια war
ursprünglich eine sakrale Festgesandtschaft, die zur ,Schau‘ einer sakralen
Zeremonie anreist. Das Verb Θεωρειν bedeutete so ,eigens zum Schauen kommen‘, insbesondere in ein eigens dazu errichtetes Θεατρον, ein ,Theater‘. Es war in antiken Poleis als Halbrund in exponierte Hänge gegraben und prächtig ausgestattet, diente Festspielen für Götter und sollte mçglichst die gesamte Bürgerschaft aufnehmen. Der Θεατης, der ,Zuschauer‘, saß dort erhöht, überschaute das in der Orchestra, ursprünglich einem runden Tanzplatz, und auf der Bühne dargebotene Geschehen in räumlicher und mentaler Distanz. Sein Horizont war erweitert, er hatte die Übersicht über das Geschehen, kannte zumeist im groben den Verlauf und den Ausgang des (tragisch oder komisch) erschütternden Geschehens und konnte um so mehr auf Abweichungen und Neuerungen der Darbietung achten. Er konnte Spiel und Alltag unterscheiden. Er blieb ruhig sitzen und doch nicht ruhig. Er beobachtete die agierenden Schauspieler auf der Bühne und den Chor, der von der Orchestra aus deren Tun und Lassen mit Freude oder Sorge kommentierte und zuweilen auch in die Handlung eingriff.«

Werner Stegmaier, Philosophie der Orientierung S.513f

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